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Wort zum Nachdenken Wochenende 20./21.09.

Dr. Michael Groß
Datum:
Veröffentlicht: 19.9.25
Von:
Verena Gebhard

Lasst die Kinder

… zu mir kommen, hindert sie nicht daran!

Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. So heißt es in Mk 10,14. Damit ist ausgedrückt, dass sich die Menschen schon in der Antike der Tatsache bewusst waren, dass durch all die täglichen Geschäfte, durch das Streben nach Anerkennung, Besitz und Macht ein Schatten auf unser Dasein fällt: es ist zwar nötig, sich seinen Unterhalt zu verdienen und die Dinge ordentlich zu regeln, zugleich aber stehen diese immer in der Gefahr, das Eigentliche zu verdecken. Denn nichts von den Dingen, die wir normalerweise anstreben, hat einen Sinn in sich selber. Was unserem Leben Sinn gibt, ist letztlich die Liebe: für Gott, für unsere Nächsten, für uns selbst, für die in Not.

Kinder sind nicht zwangsläufig besser als Erwachsene. Wer einen Kinderstreit beobachtet, kann sich fragen, ob sie nicht manchmal gar noch verbissener sind als wir. Dennoch scheint es in der Kinderseele etwas Unverdorbenes zu geben, das der Menschheit schon immer heilig schien. Möglicherweise ist es die reine Möglichkeit, etwas zu werden, während wir Erwachsenen uns schon auf so vieles festgelegt haben.

Dass den Kindern das „Reich Gottes gehört“, dass sie Gott näher sind als wir, das könnte eine Projektion sein, denn Gott ist allen Menschen gleich nahe. Es wäre aber nicht die schlimmste Projektion. Andere sind schlimmer: wenn wir wollen, dass die Kinder etwas sind, was uns nicht gelungen ist; wenn wir wollen, dass sie erfolgreicher sind in der Schule, im Fußball oder wo auch immer; wenn wir sie drängen, kleine Erwachsene zu sein, weil wir uns so oft in dieser Welt überfordert fühlen; wenn sie ein Leben leben sollen, was wir nicht leben können, dann nehmen wir ihnen vielleicht mehr, als wir ihnen geben.

Stattdessen sind wir selbst gefragt, unser Leben zu leben. Folgen wir dem Rat dieser Bibelstelle, so gehört das Reich Gottes uns dann, wenn wir solche sind wie Kinder. Das würde dann sinngemäß heißen: wenn wir nicht so festgelegt sind, offener, dass etwas geschieht, was wir nicht erwarten und was noch nie geschehen ist, wenn wir uns überraschen lassen, wenn etwas schief gehen darf, wenn wir uns mal freuen, mal weinen und mal trösten lassen dürfen.

Michael Groß, Caritas