Zum Inhalt springen

Wort zum Nachdenken 25./26.01.

Dr. Michael Groß
Datum:
Veröffentlicht: 23.1.25
Von:
Verena Gebhard

Zusammenhalt: eine Welt, in der sich alle angenommen wissen

„Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.

Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ So schreibt der Apostel Paulus im Galaterbrief 3, 27f.

Man muss sich mal in Ruhe überlegen, welche Haltung aus diesen Worten spricht: Zwischen Juden und Griechen bestand in der Zeit des Paulus der größtmögliche kulturelle, zwischen Sklaven und Freien der größte soziale Unterschied und zwischen den Geschlechtern eine unüberbrückbare Distanz. Mit dem Glauben an Christus war offenbar eine so starke seelische Ressource erschlossen, dass es möglich wurde, sich mit allen Menschen aufs Intensivste verbunden zu fühlen.

Oft wird über unsere Zeit gesagt, sie sei eine Zeit großer Krisen. Und in der Tat gibt es im politischen, sozialen und ökologischen Bereich gewaltige Herausforderungen. Vergleicht man die Gegenwart aber mit der Zeit, in der Paulus lebte, so muss man sich fragen, ob die Krisen damals nicht noch größer waren – und das gilt ganz offensichtlich für fast alle Menschenzeitalter. Dann liegt die Frage nahe, ob wir heute so unvergleichlich große Krisen haben, oder ob wir – im Vergleich mit anderen Generationen – einfach ängstlicher sind, zögerlicher, unsere Freiheit mit voller Kraft einzusetzen für eine Welt, die gut ist.

Paulus hat auf diese Frage eine Antwort: das, was allein etwas vermag, ist „der Glaube, der durch die Liebe wirkt“ (Gal 5,6). Man muss ja nicht an Christus glauben und man muss nicht religiös sein. Aber man sollte etwas haben, was einen so mit Kraft erfüllt, dass man bereit ist, alles stehen und liegen zu lassen und für das Gute einzutreten. Oder, nach Paulus, für eine Welt, in der sich alle angenommen wissen. Was wäre das für eine Welt, wo nicht die anderen schuld sind, sondern wo wir Menschen zusammenhalten, über alle kulturellen, sozialen und Geschlechtergrenzen hinweg?!

Dr. Michael Groß