Wie geht es mit unserer Selbstbestimmung weiter?

Aktueller Stand Umsetzung BTHG in Mittelfranken
Sehr viele Menschen kamen.
Angelika Feisthammel, Vorsitzendes des mittelfränkischen Behindertenrats ermutigte die Besucher*innen, für ihre Rechte einzutreten. Den mittelfränkischen Behindertenrat gibt es seit 2018 und er ist das einzige Gremium seiner Art in ganz Bayern. Er berät die Politik und tritt öffentlich auf, um auf die Belange von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.
Philipp Großmann sprach für die Werkstatträte und war sehr beeindruckt von den vielen Besucher*innen. Es geht auch darum, sich gegenseitig kennenzulernen und im anderen Menschen mehr zu sehen als nur seine oder ihre Probleme.
Thomas Bannasch (in der Marthakirche) und Natalie Pfister (im Bezirksrathaus) erläuterten mit Informationen aus erster Hand (aus den Verhandlungsgruppen in München) über den Sachstand zur BTHG-Umsetzung:
Das Bedarfsermittlungs-Instrument Bayern (BIBay) ist fertig. Man kann es ansehen auf der Internetseite www.bay-bezirke.de/gesamtplanverfahren.html. Es tritt am 01.08.2023 in Kraft und wird nach und nach eingeführt. Weil es erst noch Schulungen für die Betroffenen, die Bezirke und Verbände geben soll, wird empfohlen, mit der Anwendung noch etwas zu warten. Im BIBay werden die Wünsche und Ziele für den Menschen festgehalten, mit dem Ziel, dass er oder sie eine ganz persönliche Hilfe erhält. Zum BIBay-Gespräch darf eine Person des Vertrauens mitgebracht werden und es darf an einem Ort der eigenen Wahl stattfinden. Die LAG Selbsthilfe bittet sehr um Rückmeldungen, wenn bei der Anwendung des BIBay Probleme entstehen. Es ist ein neues Instrument und gut möglich, dass es noch Fehler enthält. Michael Fried, Leiter des Sozialreferats beim Bezirk, ergänzte noch, dass der Bezirk künftig in nachvollziehbaren Fällen unbefristete Bescheide erstellen wird, um den Arbeitsaufwand für alle Beteiligten zu senken.
Der neue Bayerische Rahmenvertrag ist seit dem 01.07.2023 gültig. Er regelt die Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Verbänden und ist wie eine „rechtliche Hülle“ für die „Rahmenleistungsvereinbarungen“, in denen die neuen Fachleistungen, also die ganz persönlichen Hilfen beschrieben werden. Es gibt schon eine Rahmenleistungsvereinbarung für die Werkstätten, die ab dem 01.01.2024 in einer Modellphase beginnt, an der in jedem Bezirk in Bayern zwischen zwei und vier Werkstätten (WfbM) teilnehmen. Die WfbM-Mitarbeitenden sind daher auch die ersten, bei denen die neue Bedarfsermittlung mit dem BIBay ausprobiert werden soll. Die Betroffenen und die LAG Selbsthilfe hoffen, dass im Rahmen der persönlichen Hilfen mehr Assistenzzeit verfügbar wird, damit die Menschen etwas flexibler und alltagstauglicher unterstützt werden können. Auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf ein bisschen Spontaneität und sollten nicht nur nach dem Dienstplan Dritter, also der Assistenzdienste, leben müssen.
In der Diskussion wurde deutlich, dass mit dem BTHG eine neue Denkweise begonnen hat. Es geht nicht mehr darum, wie sich Institutionen möglichst gut organisieren lassen oder wie der Bezirk möglichst sparsam arbeitet. Sondern es geht darum, dass der Mensch in den Mittelpunkt genommen und seine selbstbestimme Teilhabe unterstützt wird. Es geht nicht um einen Blick darauf, was jemand nicht kann, sondern darauf, wie er oder sie seine/ ihre Ressourcen besser in seinem Leben einsetzen kann.
Es wurde auch angesprochen, wie schwer es ist, Gebärdendolmetscher*innen zu bekommen.
Am Schluss bedankte sich Armin Kroder für die rege Diskussion. Allen ist klar, dass das BTHG etwas völlig Neues ist. Es kann nur gelingen, wenn sich alle in wechselseitigem Respekt behandeln und Nachsicht bei Fehlern zeigen.
Text: Dr. Michael Groß